Nicht jeder Aufkleber stellt eine Umverpackung oder Neuetikettierung dar, weil nicht jeder Aufkleber die Herkunftsfunktion der Waren sichern soll (BGH, 11. Oktober 2018)

Auszüge aus den Urteilen:

„Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats im Rechtsstreit „D“ (Beschluss vom 6. Oktober 2016, GRUR 2017, 71 = WRP 2017, 189) ausgesprochen, dass es sich bei dem dort in Rede stehenden Anbringen eines Aufklebers auf der Originalpackung eines Medizinproduktes nicht um ein Umpacken im Sinne seiner Rechtsprechung handele, weil – anders als in den bislang von ihm beurteilten Fällen – die Verpackung nicht verändert und die ursprüngliche Aufmachung der Verpackung nicht anders beeinträchtigt worden sei als durch Anbringen eines kleinen Aufklebers auf einem unbedruckten Teil der ungeöffneten Packung, der die Marke nicht verdecke und den Parallelimporteur unter Angabe seiner Kontaktdaten, seines Strichcodes und einer Pharmazentralnummer als Verantwortlichen für das Inverkehrbringen ausweise (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Mai 2018 – C – 642/16, GRUR 2018, 736, Rn. 31 bis 35 = WRP 2018, 939). Das Anbringen eines solchen Aufklebers beeinträchtige nicht die Herkunftsfunktion der Marke und sei für den Markeninhaber kein berechtigter Grund im Sinne von Art. 13 Abs. 2 GMV, sich dem weiteren Vertrieb des Medizinproduktes zu widersetzen. Bei einer solchen Fallgestaltung sei das Markenrecht gemäß Art. 13 Abs. 1 GMV erschöpft (EuGH GRUR 2018, 736 Rn. 36 bis 38).

Das Anbringen der vorliegend in Rede stehenden Aufkleber auf die Verpackung der Medizinprodukte stellt danach gleichfalls keinen berechtigten Grund im Sinne von Art. 13 Abs. 2 GMV für die Klägerin dar, sich dem weiteren Vertrieb der Produkte zu widersetzen. Es fehlt an einem Umpacken im Sinne der vorstehenden Grundsätze.

Eine dem Umpacken gleichstehende Neuetikettierung ist nicht deshalb anzunehmen, weil die Beklagte – abweichend von dem der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (GRUR 2018, 736) zu Grunde liegenden Sachverhalt – die Aufkleber nicht auf einem unbedruckten Teil der Originalverpackung angebracht hat, sondern den Barcode und die PZN der Klägerin überklebt hat.

Die Frage, ob ein Umverpacken im Sinne der für den Parallelvertrieb von Arzneimitteln entwickelten Grundsätze vorliegt, ist maßgeblich danach zu beantworten, ob das nach dem Inverkehrbringen erfolgte Anbringen eines Aufklebers den spezifischen Gegenstand der Marke beeinträchtigt, der darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Herkunft der mit ihr versehenen Waren zu garantieren (EuGH, GRUR 2018, 736, Rn. 36). Eine solche Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke durch die in Rede stehenden Aufkleber ist im Streitfall nicht ersichtlich. Die auf der ansonsten unveränderten und ungeöffneten Originalverpackung angebrachten Aufkleber verdecken weder die Marke noch die geschäftliche Bezeichnung und die Angaben zum Sitz der Klägerin als Herstellerin der Erzeugnisse und zu ihrem Firmensitz. Die überklebte Pharmazentralnummer der Klägerin stellt – anders als die Marke – nicht die Herkunft der Waren sicher, sondern dient dazu, den Warenverkehr mit Apotheken zu organisieren und die vereinfachte Abrechnung der Apotheken mit den Krankenkassen zu ermöglichen (vgl. BGH, GRUR 2017, 71, Rn. 4). Dass im Hinblick auf den Strichcode etwas anderes gilt, ist weder festgestellt worden noch ersichtlich.“